Was sie schon immer über Film (und drum herum) wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

Was sie schon immer über Film (und drum herum) wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

Ein Langzeitprojekt

Wenn man in ein Thema eindringen will, stellen sich viele Fragen; auf die viele Antworten folgen. Man dringt nicht nur ein, sondern blickt auch über das eigentliche Thema hinaus.

Zur Beantwortung mancher Fragen habe ich Experten des entsprechenden Fachbereichs dazu geholt. Auf der anderen Seite freue ich mich über neue Fragen, die an mich herangetragen werden. So wächst dieses Projekt stetig weiter. Da es kein Ziel für dieses Vorhaben gab, gab es zuerst auch keine Struktur, diese Struktur entsteht erst über die Zeit und das Anwachsen des Textes. Denn vorab ist mir ja nicht bekannt, welche Fragen bzw. Themen kommen und bleiben.
Nachfolgend der Beginn dieser vorerst unendlichen Geschichte.

Ich bin gespannt, wie es sich weiterentwickelt!

Wie sah der erste Kinofilm aus?

Kai Bagsik

Kurz, stumm und schwarz/weiß ohne Dramaturgie und Protagonisten.

Arbeiter verlassen die Lumière-Werke“ ist der Titel des Films und dieser beschreibt auch schon die gesamte Handlung. Der mythische Vorgang bewege Bilder auf einer Leinwand zu sehen, reichte völlig aus, um die Zuschauer zu fesseln.

Der Film dauert nur eine knappe Minute, es gibt ihn in mehreren Versionen, er hat eine feste Kameraeinstellung und da er auf die Innovationen der Lumière-Werke aufmerksam machen wollt, ist er auch gleichzeitig der erste Werbefilm. Obwohl er inszeniert ist, ist der Film auch gleichzeitig der erste Dokumentarfilm.

Der Film war ein großer internationaler Erfolg und es folgten viele ähnliche Beispiele:

Die Brüder Auguste und Louis Lumière führten zuerst am 22. März 1895 den Film einem ausgewählten Publikum vor. Weitere Vorführungen mit acht Kurzfilmen fanden in den folgenden Monaten statt. Die Titel beschrieben den Handlungsablauf: „Am Börseplatz in Lyon“, „Schmiede an der Arbeit“, „Eine Feuersbrunst“ oder „Babys Frühstück“.

Erst 28. Dezember 1895 fand in Paris die erste öffentliche Filmvorführung Frankreichs vor zahlendem Publikum statt. Was die Geburt der Kinos bedeutete. (siehe auch“ wann hat das Kino Geburtstag?“)
Eine Geschichte wurde nicht erzählt, aber es war dennoch die Geburt der Filmgeschichte.

Einschränkend muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass parallel in verschiedenen Ländern mit der „bewegte Fotografien“ experimentiert wurde und ebenfalls sehr kurze Filme vorgeführt wurden, aber das Verfahren der Lumière Brüder setzte sich schnell und auch dauerhaft durch.

Kai Bagsik

Wann hat das Kino Geburtstag?

Kai Bagsik

Dazu müsste man erst einmal klar definieren, was Kino eigentlich ist.
Der technische Vorgang bewegte Bilder auf eine Fläche zu produzieren, ist die Voraussetzung, aber noch nicht das Einzige, was eine Kinovorstellung ausmacht.
Dazu gehören auch Zuschauer, die sich dafür entscheiden, für dieses Erlebnis Eintritt zu zahlen.
Die Entwicklung der Bild-Projektions-Technik hatte auf dem Weg zu diesem Ereignis eine lange Phase des Experimentierens durch das 19. Jahrhundert hinter sich (siehe Antwort zu: “Wer hat eigentlich die Filmkamera erfunden?“).
Von der Erfindung der Fotografie, hin zu den ersten „Jahrmarktsmaschinen“ die zuerst bewegte Bilder, aber noch keine Projektionen auf eine Fläche darstellten, dauerte es fast das ganze 19. Jahrhundert.

Heute gilt der 28.12.1895 als der Tag, an dem die erste Kinoveranstaltung stattfand. Die Brüder Lumière, Auguste Lumière (1862 bis 1954) und Louis Lumière (1864 bis 1948) hatten im elterlichen Betrieb, zur industriellen Fertigung von fotografischen Platten in Lyon, Frankreich die technische Vorraussetzungen geschaffen.
Die Brüder führten mit dem Cinématographen im Laufe des Jahres 1895 mehrfach erste kurze Filme von ca. einer Minute vor geschlossenem Publikum auf. Am 28. Dezember fand im Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris dann die erste öffentliche Filmvorführung mit zehn Kurzfilmen vor zahlendem Publikum statt. Weitere Vorführungen folgten jetzt regelmäßig, auch über Frankreich hinaus.
1905 verkauften die Lumières Ihr Patent an Charles Pathé.

Neben den Brüdern Lumière in Paris, deren Projektionsverfahren sich später durchsetzt, veranstalten die Brüder Skladanowsky im Berliner „Wintergarten“ fast einen Monat zuvor ihre erste öffentliche Kinovorführung. Weitere Konkurrenten, wie beispielsweise Jean-Aimé LeRoy behaupteten, kurze Zeit vorher Kinoveranstaltungen durchgeführt zu haben.
Daher gibt es mehrfach die Möglichkeit mit dem Kino Geburtstag zu feiern. Am Bestem mit einem frühen Klassiker der reichhaltigen Filmgeschichte.

Kai Bagsik

Wer hat eigentlich die Filmkamera erfunden?

Kai Bagsik

Es gibt niemanden, den wir allein als Erfinder der Filmkamera verehren könnten. Die Filmgeschichte kennt eine ganze Reihe Geburtshelfer der Kinematographie.

Die Grundlagen der Bewegtbildaufnahmen sind physikalisch, chemisch und mechanisch äußerst komplex. Eine parallele Entwicklung von unterschiedlichen Industriezweigen führte zur Entstehung des Kinos. In den Industrieländern experimentierten Ingenieure, Mechaniker und Erfinder seit Mitte des 19. Jahrhunderts, um die Zeit fotographisch festzuhalten.
Die ersten drei Geburtshelfer sind Simon Ritter von Stampfer (1792-1864) österreichischer Mathematiker, Joseph Antoine Ferdinand Plateau (1801-1883) belgisch-wallonischer Physiker und William George Horner (1786-1837) britischer Mathematiker. Sie haben unabhängig voneinander die „Trägheit des Auges“ erkannt und den Wundertrommel (Zoetrop) gebaut. Seitdem wissen wir, dass die Bewegung eines Objekts mindestens auf 16 Einzelbilder in der Sekunde zerlegt werden soll, um die Wiedergabe als flüssige Bewegung wahrzunehmen.
Der Weg führt über die Fotographie weiter zur Filmaufnahme. Das erste fixierte fotografische Bild verdanken wir dem Franzosen Joseph Nicephore Niepce aus dem Frühherbst 1826.
Um den Film zu bearbeiten, kopieren und verteilen zu können, brauchen wir das Negativ-Positiv-Verfahren. William Henry Fox Talbot aus England führt dies ca. 1860 ein.

Allerdings dauert es noch bis etwa 30 Jahre bis die fotographische Emulsion empfindlich genug ist, mit einer ausreichend kurzen Belichtungszeit 16 Bilder in der Sekunde aufzunehmen. Dies gelang Ottomar Anschütz (1846-1907) aus Berlin und dem Engländer Eadweard Muybridge (1830-1904). Beide sind für Ihre Moment- und Serienfotographien bekannt.
Eine große Anzahl von Bildern schnell hintereinander zu belichten und sicher zu transportieren, ist eine große mechanischer Herausforderung. Diese Aufgabe kann nur eine stabile, zuverlässige Mechanik bewältigen. Auch wenn es seltsam klingt, die Nähmaschine musste erfunden werden. Nähmaschinen sind die ersten mechanischen Apparate, die dünnes Material schrittweise zuverlässig mit relativ hoher Geschwindigkeit transportieren können. Erfunden wurde sie von dem Bostoner Elias Howe (1819-1867). Isaac Merrit Singer (1811-1875) hat sie 1851 zum ersten Male in Serie hergestellt, ebenfalls in Boston.
Die ersten Filmaufnahmen sind 1888 dem Franzosen Louis Aimé Augustin Le Prince zugeschrieben. Er benutzte einen Film mit Papierträger, seine Aufnahmen dauern ca. eine Sekunde.
Unter Filmaufnahmen verstehen wir die Möglichkeit, eine Szene beliebiger Länge aufnehmen zu können. Im Jahre 1889 hat George Eastman (1854-1932) das notwendige Material erfunden und erfolgreich hergestellt in Rochester. Das ist der Rollfilm auf nitrozelluloser Basis.
Die ersten Filmaufnahmen entstanden 1891 im Laboratorium von Thomas Alva Edison (1847-1931) in New Jersey. Für die Entwicklung war der schottische Ingenieur William Kennedy Laurie Dickson (1860-1935) verantwortlich. Die Filmaufnahmen waren nicht für die Projektion vorgesehen und die Aufnahmeapparatur war schreibtischgroß. Das von Edison benutzte Filmband war 35 mm breit, was bis heute Standard in der Filmindustrie ist.

Die französischen Gebrüder Auguste (1862-1954) und Louis Lumière (1864-1948) trugen alles, was bis 1895 erfunden wurde zusammen, und beauftragten ihren Landsmann Charles Morand Pathé (1863-1957) mit der Herstellung des Kinematographen (Cinématographe).
Am Abend des 28. Dezember 1895 veranstalteten die beiden Lumières in Paris die erste Filmvorführung für zahlendes Publikum. Das ist der Geburtstag des Kinos.
Die Berliner Emil (1866-1945) und Max Skladanowsky (1863-1939) sind die Deutschen Wegbegleiter des Films. Die Gebrüder Skladanowsky haben einige Wochen vor der Pariser Lumière-Vorführung im Varieté Wintergarten in Berlin ihre Vorstellung gehabt. Sie waren nicht in der Lage, Aufnahmen beliebiger Länge herzustellen und ihr Zweiband-Projektor war kinotechnisch gesehen eine Sackgasse.

Hier sind siebzehn der zahllosen Filmpioniere aufgezählt, aber ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Seit es technisch möglich ist, experimentierten hunderte mit Momentaufnahmen und Chronofotographie (hier stehen nur die zwei bekanntesten).

Ich habe mich auf die mechanisch-, fotographische Entstehung der Filmkamera beschränkt. Die Innovationen der Optik hatten die Kameraentwicklung begleitet und maßgeblich die heute bekannte Bildqualität mitgestaltet. Eine mindestens ebenso große Zahl von Persönlichkeiten arbeitete parallel an die Entwicklung der Optik, und ein Heer von Helfern, die die immer komplizierteren Berechnungen erledigten, bis die Rechenmaschinen diese Aufgaben übernommen hatten.

Ferenc Kelle – Kameramann

Nach einer bisher 100-jährigen Kulturgeschichte des Kinos: „Wie sieht es in hundert Jahren aus, gibt es dann noch die Kultur des Ins-Kino-Gehens? Und wenn ja, was muss oder was wird sich dann geändert haben?“

Kai Bagsik

Nach meinen Beobachtungen ist der Kinobesuch heute für die meisten Leute eine Variante des gewöhnlichen Ausgehens, ohne besonders große Vorfreude oder innere oder äußere Vorbereitung. Natürlich gibt es da auch zahlreiche Ausnahmen – die langersehnte Premiere des nächsten Harry-Potter-Films oder irgendeine Lange-Kultfilm-Nacht, aber das sind, nun, eben eher die Ausnahmen. Viele Kinobesuche dürften nicht mal der Höhepunkt des Tages sein, geschweige denn der Woche oder des Monats.
Diese Spielart, ins Kino zu gehen, halte ich für die gefährdetste, einfach weil sie den Menschen am wenigsten bedeutet. Wenn sich hier irgendwelche Schwellen aufbauen (zu teuer, zu aufwendig, zu ungemütlich), bleiben die Säle schnell leer, man geht stattdessen anders gewöhnlich aus oder guckt einen Film im Heimkino; da kommen wir der Möglichkeit des „Kinoerlebnisses“ ja auch immer näher: Beamer werden besser und erschwinglicher, mit Surround-Sound kann man heute fast schon niemanden mehr beeindrucken, und auf die DVD eines aktuellen Kinohits muss man auch kaum noch warten.
Wenn diese Beobachtungen zutreffen, deutet sich darin auch schon eine Möglichkeit für das erfolgreiche Kino der mittleren Zukunft an. Die Richtung wäre weg vom gewöhnlichen Ausgehen. Ein Kinobesuch müsste ein Höhepunkt der Woche werden, ein Anlass, den man sich schon lange im Voraus im Kalender markiert, auf den man sich innerlich und äußerlich vorbereitet. Kino als „Event“ könnte – durchaus auch heute schon – den Film als zentrales Element haben, eingefasst von anderen geschickt aufeinander abgestimmten Vergnügen, wie etwa einer kurzen Begrüßungsansprache mit Getränk, natürlich mindestens einem ausgewählten Vorfilm, einem aussagekräftigen Making-Off oder einer Dokumentation, einem thematisch passenden Buffet und einer moderierten Gesprächsrunde.

Mir ist schon klar, dass das Cinemaxx-Management einen solchen Vorschlag schnell lächerlich zu machen versuchen würde, und das würde auch mit Leichtigkeit gelingen, weil solches Kino natürlich absolut nicht im aktuell gegebenen Rahmen funktioniert, aber entscheidend an meiner Vision ist die Vermutung, dass Kino in der bestehenden Form angesichts des aktuellen und wohl noch steigenden Niveaus der Heimkino-Konkurrenz in der Bedeutungslosigkeit versinken könnte, wenn nicht solche oder ähnliche den Rahmen sprengenden Kurse aufgenommen werden.

Zum Schluss riskiere ich noch einen gewagten Blick in die Zukunft der Filmgenuss-Technik. Da hat sich bekanntlich in den vergangenen hundert Jahren prinzipiell nur wenig verändert: Man sitzt vor einer Leinwand und schaut sich projizierte Bilder an. Dazu kam irgendwann der Ton, und die Bilder wurden irgendwann bunt und von mir aus digital oder gelegentlich angestrengt 3-D, aber im Grunde wird Film bis heute gleich serviert. Das erste brauchbare Holodeck wird selbst nach der Star Trek-Historie noch bedeutend länger als hundert Jahre auf sich warten lassen; was könnte also mal ein bemerkenswerter Sprung sein?

Ich sehe da nur die theoretische Möglichkeit, den Betrachter mittels irgendwie revolutionierter Aufnahmetechniken nicht mehr vor die Handlung zu setzen, sondern mitten hinein: Geradeaus an der Theke wird der Sheriff plot-relevant vom Schurken provoziert, wenn du über deine rechte Schulter schaust, siehst du den Pianomann klimpern, und über die linke Schulter wird am Pokertisch im Saloon gezockt – und du siehst da nicht den Kino-Notausgang. So etwas würde wahrscheinlich nicht durch eine halbkreisförmige Leinwand realisiert, sondern eher durch eine Art Rundumsicht-Brille, weil damit die Illusion viel wirkungsvoller wäre. Und da gäbe es das nächste Problem für das Kino. Diese Brille könnte man nun auch zu Hause aufsetzen. Mal sehen.

Till Bender

„Der Herr der Ringe“ hat 2001, 2002, und 2003 im Kino mächtig abgeräumt, nachdem der Stoff lange als unverfilmbar galt. War es notwendig, auf Herrn Jackson und die Computertechnik der Jahrtausendwende zu warten, oder hätte Sergei Eisenstein in den 1940er Jahren auch schon einen Blockbuster daraus machen können, – wenn es das Buch da schon gegeben hätte?

Kai Bagsik

Ein Zug fährt auf der Leinwand auf die Kamera zu und das Publikum wirft sich ängstlich zur Seit, um der Lokomotive auszuweichen. So oder so ähnlich werden frühe Kinobesuche beschrieben. Heute sind solche panischen Reaktionen unserer Urgroßeltern für uns kaum nachvollziehbar. Aber die Sehgewohnheiten haben sich, allen voran durch das Medium selbst, stark gewandelt und entwickeln sich weiter.
Werden die drei Verfilmungen von „King Kong“ von 1933, 1976 und 2005 verglichen, sieht man drei sehr unterschiedliche Filme, die zu ihrer Veröffentlichung zum Teil die gleiche Wirkung auf den Zuschauer hatten. Dasselbe gilt für viele Beispiele wie den „Moby Dick“ oder „Godzilla“ Verfilmungen.
Der filmtechnische Anspruch der Zuschauer wächst mit den filmtechnischen Möglichkeiten des Kinos!

Jeder literarische Stoff ist für die Leinwand inhaltlich und technisch zu adaptieren. Er muss nur dem Medium und seinen Möglichkeiten entsprechend bearbeitet werden!
Daher kann die gerne benutzte Aussage „dieser Stoff ist nicht verfilmbar“ so nicht stehen bleiben.
Bibel-Verfilmungen, die es seit über hundert Jahren erfolgreich in der Filmgeschichte gibt, zeigen, dass auch die „größten“ Geschichten zu jeder Zeit ihrer Zeit entsprechend verfilmbar waren.
Besonders auffällig sind die „Wirkungsveränderungen“ bei Science-Fiction, Fantasy- und Horrorfilmen. Was früher Angst und Verstörung beim Zuschauer entstehen ließ ist heute im besten Fall oft nur noch sehr interessant und bereitet auf andere Weise filmisches Vergnügen. Wie bei „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922), „Dracula“ (1931) und Frankenstein (1931).

Eisenstein war nicht nur ein großer Regisseur und einer der Pioniere der Filmmontage, sondern auch ein leidenschaftlicher Filmtheoretiker.
So schreibt über die seiner Meinung nach großen Schwächen und das filmkünstlerische Scheitern seines amerikanischen Pendants D.W. Griffith:
„Die Gründe hierfür sind nicht professionell-technischer Natur… Es geht vielmehr darum, dass Griffith trotz seiner Versuche und Bemühungen letztlich unfähig ist, Erscheinungen wirklich sinnvoll zu abstrahieren, das heißt aus der Mannigfaltigkeit historischer Fakten die verallgemeinerte Deutung einer historischen Erscheinung herauszuarbeiten.“

Es wäre auch sehr spannend zu lesen, wie sich Sergei Eisenstein über Peter Jacksons Arbeit geäußert hätte. Also ich würde sehr gerne die „Der Herr der Ringe“ Verfilmung von Sergei Eisenstein sehen und denke, dass die Arbeit eines solch komplexen Filmemachers zu jeder Zeit ein spannendes Werk hervorgebracht hätte.

Kai Bagsik

Was kann dafürsprechen, bestimmte Filme unbedingt im Kino zu gucken, was könnte dagegensprechen?

Till Bender

„Den musst du im Kino sehen“ höre ich oft von Kinoromantikern.

Hier stellt sich vorab die Frage: Was ist eigentlich genau ein Kino? Oder ab wann wird eine Filmvorführung zu einer Kinovorstellung? Ein Kino ist ein Ort, wo ein Film für die Öffentlichkeit gegen ein Entgelt präsentiert wird.  Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zum privaten Filmgenuss. Das Kino ist offen für jeden, der bereit ist, den Eintritt zu bezahlen. Meine Kinoromantiker meinen vor allem das Ereignis eines „Live“- Erlebnisses: in einem dunklen Raum mit fremden Menschen auf eine mehr oder weniger große Leinwand zu schauen und dem Dolby Digital Sound zu lauschen.
Aber die großen Versprechen und Möglichkeiten, die das Kino bietet, werden leider manchmal nicht nur durch die Filme enttäuscht.
Vor vielen Jahren sah ich als Vorfilm den Kurzfilm „Der Hahn ist tot“ (1988) das ganze Kino sang im dreistimmigen Kanon wie vom Regisseur gewünscht das Lied mit und applaudierte begeistert.
Ich erinnere mich an begeisterten Dialog mitsprechende, singende und tanzende! Fans bei „The Rocky Horror Picture Show“ oder an Filmfestival Besuche mit anschließenden Diskussionen zwischen den Filmschaffenden und dem Publikum.

Leider werde ich aber auch meine Besuche in kleinen Schachtelkinos mit unscharfem Bild und schlechtem Ton und sogar mit einer Stütze in Saal nicht vergessen. Über die Beinfreiheit will ich nicht sprechen, aber möglicherweise wurde davon ausgegangen, dass Kinogänger die Größe von Humphrey Bogart haben. Dort kann man nun nicht im Sessel gucken.
Lebhafte Erinnerungen habe ich auch noch an meinen Versuch, „Die Truman Show“ (1998) von Peter Weir in einem Kino zu schauen. Der Versuch ist an einer größeren Gruppe Jugendlicher gescheitert, die das Kino als ihren Party-Veranstaltungsort auserkoren haben. Erst nach vielen Beschwerden und Diskussionen konnte man dem letzten Teil des Filmes noch folgen.
Aber ich habe auch einige Erinnerungen an private Filmabende. Mit der Familie oder Freunden vor dem Fernseher. Hier war es gerade das Private oder gar Intime, was den Abend und den gesehenen Film zu einem Ereignis gemacht hat. Wobei ich mich immer Fragen werde, warum sich Leute entscheiden einen Film zu sehen und dann von Anfang an mit einander reden, etwas völlig anderes machen, oder sofort zu schlafen beginnen.

(Möglicherweise kannst Du mir diese Frage auch noch bei Gelegenheit beantworten!)
Und nicht zu vergessen sind die genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnittenen gemeinsamen Filmabende. Früher mit VHS und jetzt mit DVD, bei denen ein 90- Minuten Film durch Anhalten, Zurückspulen und Analysieren manchmal einige Stunden gedauert hat. (Für Dritte nicht zumutbar!)

Ich kenne auch immer mehr Leute, die ihren Flachbildschirm an der Wand hängen haben oder über einen Beamer in einem extra Raum ihr kleines Privatkino für sich eröffnet haben. Digitale Techniken wie HD DVD, Blu-Ray oder Disc Video on Demand werden dem Home Cinema in den nächsten Jahren noch weitere Möglichkeiten eröffnen.
Kinos wie das Roxy Theatre in New York mit 6.214 Sitzplätzen, die das Ereignis des Ins-Kino-Gehens zu einem großen Erlebnis gemacht haben, sind noch nicht ausgestorben, aber in ihrer Art stark gefährdet.

Die Zeit von klassischen Kinos ist nach Ansicht des Regisseurs Volker Schlöndorff vorbei. Zeit für etwas Neues, meint er in einem Interview dieser Tage. Weiter sagt er

„Das einzige Gemeinschaftserlebnis, neben Konzerten, das uns zusammenkommen lässt – und das preisgünstigste obendrein – ist das Kino.
Deshalb wird es auch überleben.“

Kai Bagsik

Gewinnen einige Filme an Qualität, wenn sie zu bestimmten Zeiten oder unter bestimmten Umständen gesehen werden?

Kai Bagsik

Beispielweise Capras „Ist das Leben nicht schön?“ (1947) am Weihnachtstag, eine Dracula Verfilmung in der Nacht, „Casablanca“ (1942) bei Liebeskummer, „Blues Brothers“(1980) und „The Rocky Horror Picture Show“ (1975) in einem mit Fans vollbesetzten Kino.

Gibt es also den so genannten „Sonntagnachmittags Film“ wirklich?

Ganz klares Nein – und ganz klares Ja! Das Nein ist ebenso berechtigt, wie schwach: Ein Film ist natürlich zunächst einmal das, was er ist, und hat die Qualitäten und Mängel, die er hat, unabhängig davon, ob er von Sachverständigen oder Ignoranten, mit höchster Aufmerksamkeit oder beim Kreuzworträtseln, ostersonntags oder aschermittwochs oder gar nicht geguckt wird. Wollte man diesem Gedanken allerdings bis an sein vorläufiges Ziel folgen, würde er einen zu einer Position führen, von der aus man einen Film nur noch als eine Strecke von 24 Bildern pro Sekunde mit Geräuschen, als lärmendes Lichtergeflacker bzw. als Plastik in einer Dose betrachten könnte.

Daher brauchen wir dringend das ergänzende Ja: Damit aus dem Plastik in der Dose ein Stück Kultur werden kann, muss da jemand sein, der das lärmende Lichtergeflacker als Film interpretiert, die Bilder und Töne als mehr oder weniger gelungene Zusammenhänge erkennt. Dafür braucht es einen Kopf mit Vorwissen. Das muss kein Expertenwissen sein, aber ein Vampir, eine Bar oder Blues muss ihm etwas bedeuten – einer von Alexander Kluges komplett Außerirdischen wäre angesichts aller Erdenfilme komplett ratlos.
Und sobald da ein Kopf im Spiel ist, der das Material interpretiert, der den Film erlebt, kann der Träger dieses Kopfes natürlich um den Film herum eine kleinere oder größere Feier inszenieren, um sein Erlebnis zu intensivieren und den Genuss zu steigern – passende Zeitpunkte wählen, angemessene Tabakwaren oder Leckereien bereitstellen, von mir aus sogar in geeignete Kostüme schlüpfen.

Und jetzt noch ein „Aber“, wieder Richtung Nein: Durch solche Inszenierungen wird der Filmgenuss überhaupt nicht unbedingt gesteigert. Wenn man sich dem jeweiligen Film nur ordentlich öffnet und sich ordentlich konzentriert und der Rahmen diese Öffnung und Konzentration halbwegs zulässt, kann man jeden Film jederzeit zur vollen Entfaltung seiner Qualitäten und Schwächen kommen lassen, auch die BIENE MAJA zu Weihnachten oder FARGO am Swimmingpool.

Geguckt wird im Kopf, nicht im Sessel.

Till Bender

Wie kommt es eigentlich zu dem bildungsbürgerlichen Urteil, Literaturverfilmungen seien fast immer weniger wert als ihre Buchvorlage?

Till Bender

Die Filmkunst ist eine eher jüngere Kunstform. Ähnlich wie die Fotografie, der Comicstrip oder der Cartoon, hat es der Film gegenüber den klassischen Kunstformen wie der Literatur, der Musik, der bildenden Kunst, der Architektur und auch dem Theater, die zum Teil bereits mehrere tausend Jahre existieren, nicht nur beim Bildungsbürgertum einen sehr schweren Stand. Werden einzelnen Filmwerken unter Umständen ein künstlerisches Potential zugesprochen, wird dieses Urteil, wenn der Film in eine anscheinende Konkurrenz zu einer Literaturvorlage tritt, oft revidiert.

Dass die Argumentationen zum künstlerischen Wert von „…das wurde einfach weggelassen“ bis zu „…das habe ich mir anders vorgestellt“ keinen Wert haben, wird meist ignoriert. Es beweist nur, dass auch in den meisten „Filmkunst-Ablehnern“ kleine Filmregisseure oder Drehbuch-autoren stecken. Es fragt sich nur, von welcher Qualität.

Schwierig wird die Ablehnung der Literaturverfilmung, wenn ein anerkannter Literat auch für die Drehbuchfassung seines Romans zuständig ist (zum Beispiel: Tennessee Williams, William Faulkner, Harold Pinter, Bertolt Brecht, Arthur Miller, Friedrich Dürrenmatt, Mario Puzo, John Irving).
Zitat John Irving, der an seinem Drehbuch zu „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ 13 Jahre arbeitete: „Der Hauptunterschied zwischen beiden ist die Zeit. Ein Buch zu lesen dauert nun mal länger, als einen Film anzuschauen. Fast alle Probleme resultieren aus diesem Faktor. Dieselbe Charaktereigenschaft, die einer Romanfigur Tiefe gibt, kann sie im Film zerstören…“

Ein wesentlicher Teil der Filmgeschichte basiert auf adaptierten Drehbüchern.
Auf Drehbüchern, die auf einer vorher veröffentlichten Publikation basieren.

Deswegen vergibt die Academy of Motion Picture Arts and Sciences neben dem Academy Award (Oscar) für das beste original Drehbuch auch den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch.

Leider werden unbedeutende literarische Vorlagen sehr selten mit daraus entstandenen filmischen Meisterwerken verglichen.

Kai Bagsik

Was ist ein dramaturgischer Wendepunkt?

Kai Bagsik

Der Begriff taucht häufig dort auf, wo über die Dramaturgie, die Struktur von filmisch erzählten Geschichten gesprochen wird. Man bezeichnet damit die Stellen einer Geschichte, an denen sich die Handlung in eine neue – meist unerwartete – Richtung dreht.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel – ohne Wendepunkte: Ein paar Gangster überlegen sich, eine Bank zu überfallen, die Beute zu teilen und sich mit dem Geld auf einer Insel zur Ruhe zu setzen. Also arbeiten sie einen Plan aus, überlisten die Alarmsysteme, überwältigen die Wachen, schnappen sich die Beute, teilen wie besprochen und setzen sich auf einer Insel zur Ruhe. Das geht. Allerdings sind dabei alle möglichen Gegenkräfte (Wachen, Alarmsysteme, Polizei, der allgemeine „menschliche Faktor“) von vornherein entschärft oder ganz ausgeschaltet, und die Handlung ist somit nur mäßig spannend; dem Publikum bleibt lediglich der Spaß zu beobachten, wie ein Plan perfekt funktioniert (wenn der Film als spannend empfunden wird, dann nur deshalb, weil das kinoerfahrene Publikum ständig Wendepunkte erwartet).

Spannender dürfte es werden, wenn unterwegs etwas schief läuft und vom Plan abgewichen werden muss: Der Tresor ist leer, einer aus der Bande treibt ein doppeltes Spiel und versucht, seine Kollegen übers Ohr zu hauen, die Räuber werden auf ihrer Insel selber Opfer eines Überfalls und kriegen das schöne Geld wieder abgejagt, dergleichen.
Solche Überraschungen für Figuren und Publikum nennt man Wendepunkte.

Till Bender

In welchem Maße ist es eigentlich als Qualität eines Films zu betrachten, wenn er sich präzise an sein Genre hält, unter welchen Umständen ist ein Genre-Mix etwas Negatives?

Till Bender

Die Filmgenres sind keine fest umschriebenen Größen. Ein Genre ist nur ein Kanon von Filmen, der sich durch jeden weiteren Film des jeweiligen Genres verändert. Wenn man beispielsweise die Entwicklung des Westerns von der Stummfilmzeit bis heute beobachtet, wird offensichtlich, dass sich die westernbedingten filmischen Parameter nicht nur verändert, sondern in Teilen gar umgedreht haben. Aus diesem Bewusstsein heraus werden immer neue Genrebezeichnungen entwickelt. Wie in diesem Fall die des Neowesterns.
Die meisten Filme, die einem Genre zugeordnet werden, beinhalten zum Teil wesentliche Aspekte eines anderen Genres. Ist nicht gerade „Titanic“ von 1997 der bis dato erfolgreichsten Film geworden, weil er unterschiedlichste Genreelemente mischt? Den Katastrophenfilm und den Historienfilm mit einem klassischen Liebesdrama.

Die Vielschichtigkeit, die durch verschiedene Genres entsteht, kann als eine Möglichkeit für spannende sich kontrastierende Elemente in einem Film genutzt werden. So ist bei Billy Wilders „Apartment“ (1960) die Komik viel tiefer durch die große Tragik, die der Geschichte zu Grunde liegt.
Bei der Filmbeurteilung und -einordnung hilft es anscheinend auch vielen professionellen Kritikern und Institutionen, die Werke Genres zuzuordnen. Das Abfragen von Genreparametern erleichtert ihnen, den Film in ihr Bewertungsraster einzufügen.

Neben Puristen und Dogmatikern haben auch die Filmverleiher ein Interesse daran, die zu verwertenden Filme einem Genre zuzuordnen.

Die Zielgruppe soll so leichter das „Vermarktungsobjekt“ finden.
(Die Angst des Action Fans vor romantischen Elementen oder die Angst der Liebesfilmromantiker vor der politischen Thrillerebene soll von vorneherein genommen werden.)
Allerdings, wenn der Filmzuschauer, gefangen von der Geschichte, im Kino sitzt,vergisst er auch seine möglicherweise genrebedingte Motivation, sich den Film anzuschauen.

Wenn also aufeinander abgestimmte und sich nicht aufhebende Genreelemente einen Film bestimmen, wie beispielsweise bei Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ (1942) die Komik, die Tragik und die Politik, ist das nicht nur positiv für die Qualität, sondern großes filmisches Erlebnis!

Kai Bagsik

Darf man als Cineast von den „John Wayne Filmen“ begeistert sein?

Kai Bagsik

Aber klar doch! Wenn man „Begeisterung“ im weiteren Sinne auffasst, muss man sogar. Im Unterschied zum Filmegucker sucht der Cineast im Film ja nicht nur Zeitvertreib und Unterhaltung. Er interessiert sich auch und gerade für Aspekte eines Films, die gar nicht in ihm vorkommen: seine Entstehungsgeschichte, seine Wirkungsgeschichte, sein Verhältnis zu anderen Filmen seiner Zeit, seines Genres, seines Regisseurs etc.

Und was das angeht, geben die John-Wayne-Filme eine Menge her. Man muss sich beispielsweise nur mal vor Augen führen, was für Rollen John Wayne spielt, welche Werte und Tugenden dabei behauptet und hochgehalten werden, für welche Werte und Tugenden der Schauspieler John Wayne eintritt und wie das alles dazu passt oder gar führt, dass er 1979 die höchste zivile Auszeichnung erhält, die von der U.S.-Regierung vergeben wird: die Congressional Gold Medal – mit John Wayne auf einem Pferd auf der einen Seite, auf der anderen sein Porträt und die Worte „John Wayne, American“.

Selbstredend geht es nicht um die Frage, ob so was bewundernswert ist, aber es ist im höchsten Maße bemerkenswert. Und in dieser Hinsicht kann der Cineast von den Filmen begeistert sein, ohne die geringste Lust zu haben, sich auch nur fünf Minuten davon anzusehen.

Till Bender

Was war New a New Hollywood?

Kai Bagsik

Vieles!

Ab den 50er Jahren versuchte das Kino sich durch aufwendige Produktionen von der neu gewachsenen Konkurrenz durch das Fernsehen abzusetzen. Durch immer weitere Großproduktionen setzten diese Filme auf die Kraft der großen Leinwand, entfernten sich aber auch von alltäglichen Befindlichkeiten ihrer Zuschauer. Das Studiosystem war über viele Jahrzehnte ein System mit klar strukturiertem Produktionsablauf. Festangestellte und hoch spezialisierte Mittarbeiter schafften ein Gemeinschaftsprojekt.  Produktionsgesellschaften mit mächtigen Produzenten bestimmten über Inhalte, Personal und künstlerischen Stil.

Immer mehr Filmemacher wollten sich im Laufe der 1960er Jahre von dieser festangestellten Bindung an die klassischen Film-Studios lösen. Und unabhängig, künstlerisch selbstbestimmt arbeiten. Vorbilder waren dabei die europäischen Autorenfilmer. Erste Versuche diesen Idealen nahezukommen waren Bonnie und Clyde und Die Reifeprüfung (beide von 1967). Obwohl beide Filme noch mit den alten Strukturen der Hollywoodstudios verbunden waren revolutionierten sie die in die Jahre gekommene Traumfabrik. Den endgültigen Durchbruch der neuen unabhängigen Generation, mit neuen Themen, Protagonisten und künstlerischer Haltung gelang dann endgültig mit Easy Rider (1969). Es folgten viele kommerziell und künstlerisch erfolgreiche Beispiele in dem folgenden Jahrzehnt.

Regisseure wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Sidney Lumet, Peter Bogdanovich, Robert Altman, Woody Allen, William Friedkin oder Hal Ashby waren stilbildend.

Schauspieler wie Robert De Niro , Faye Dunaway , „Al“ Pacino, Diane Keaton,, Jack Nicholson, Sissy Spacek, Dustin Hoffman, Ali MacGraw, Harvey Keitel, Meryl Streep, Gene Hackman oder  Jane Fonda,  prägten die neue Generation, dessen Darstellung viel weniger Glamourös war, als man es von Stars bisher gewohnt war.

Inhaltlich und stilistisch unterscheiden sich diese neuen Filme gravierend von den alten Filmen Hollywoods. Der Blick auf die Realität des Alltages wird zum Thema und stilbestimmend. Filme voller rauer Geschichten in rauen Bildern werden zum Zeitdokument der 70er Jahre.
Oft sind sie ein Spiegelbild der Gesellschaftlichen Lage der USA geprägt durch den Vietnam Krieg und der Watergate Affäre.

Beispielhafte Filme der Ära sind:

M*A*S*H (1970), Little Big Man (1970), Brennpunkt Brooklyn (1971), Harold und Maude (1971), Klute (1971), Der Pate 1 & 2 (1972 bis 1974), Hexenkessel (1973), ,Badlands – Zerschossene Träume (1973), Serpico (1973), Chinatown (1974), Eine Frau unter Einfluss (1974), Einer flog über das Kuckucksnest (1975),  Hundstage (1975), Taxi Driver (1976), Network (1976) Der Marathon-Mann (1976), Die Unbestechlichen (1976), Der Stadtneurotiker (1977), Die durch die Hölle gehen (1978), Apokalypse Now (1979),  Wie ein wilder Stier (1980).

Beendet wird diese beeindruckende Phase der amerikanischen Filmgeschichte mit dem Beginn der Reagan Administration und durch neue patriotische Helden dargestellt beispielweise von Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone. Das Blockbuster Kino wird bestimmend für Hollywood.

Kai Bagsik

Ist ein Innenrequisiteur immer innen?

Kai Bagsik

Nein! Die deutschen Berufsbezeichnungen Innen- und Außenrequisiteur sind mehr als irreführend und nicht selbsterklärend.

Die englischen Berufsbezeichnungen sind viel überzeugender: Stand By Propman = Innenrequisiteur und Prop Buyer = Außen Requisiteur.

Der Außenrequisiteur organisiert und besorgt nach Absprache mit dem Szenenbildner Requisiten und liefert diese gegebenenfalls zurück. Er wird meist von einem Requisitenfahrer und je nach Projektgröße von weiteren Mitarbeitern unterstützt. Er leiht Requisiten beispielsweise aus dem Fundus aus. Er kauft aber auch Requisiten oder stellt spezielle her. Der Innenrequisiteur dagegen betreut das Szenenbild während der Drehzeit. Er ist die Vertretung des Art Department am Set. Seine vorrangige Aufgabe ist die „Feinjustierung“ des Motivs. In seiner Verantwortung sind sämtliche Bestandteile des Szenenbildes, gegebenenfalls deren Modifizierung und Beaufsichtigung. Ein weiterer zentraler Punkt seiner Arbeit ist die korrekte Herstellung des Anschlussbildes (dazu an anderer Stelle mehr).

Neben seinen Kollegen in der Ausstattungsabteilung arbeitet er intensiv mit allen Filmschaffenden, die während der Drehzeit am Set sind, zusammen, denn sein Arbeitsplatz befindet sich nahezu ausschließlich am Drehort.
Während der Arbeitsplatz des Außenrequisiteurs vorwiegend außerhalb des Filmsets liegt.

Kai Bagsik

Stimmt es, dass früher in US-amerikanischen Western Indianer von „weißen Schauspielern“ europäischer Herkunft dargestellt worden sind? Und wenn ja, warum war das so?

Anonymer Fragesteller im Internet

Im klassischen (Edel-)Western spielen Indianer nur eine untergeordnete Rolle.
Oft waren die Indianer-Figuren(!) kaum mehr als anonymes „Indianer-Material“, keine ausgearbeiteten, individuellen Figuren, die eine eigene Figurenbeschreibung erfordert hätten (Ähnliches galt lange für die afroamerikanische Bevölkerung der USA in den unterschiedlichsten Genres des amerikanischen Films).
Für Sequenzen wie „Die Indianer reiten hinter der Postkutsche her“, „Die Indianer werden von den Soldaten in die Flucht geschlagen“ oder „Die Indianer tanzen ums Lagerfeuer herum“ braucht man Statisten, Maske und Kostüme.
Indianer braucht man dafür nicht.

Es gab nicht nur in Hollywoods Film-Business, sondern auch in Politik und Wirtschaft kaum einflussreiche Personen, die von den Ureinwohnern Amerikas abstammten. Daher ist die Frage keine primär filmgeschichtliche, sondern eine kulturpolitische bzw. sozialhistorische.

So wurden auch Indianer-Figuren mit einer individuellen Qualität von Schauspielern europäischer Abstammung dargestellt, beispielsweise von dem in Berlin geborenen Henry Brandon in John Fords „Der schwarze Falke“ (1956) oder Jeffrey Hunter und Hugh O’Brian in „Die weiße Feder“ von 1955. Auch der spätere Star Rock Hudson spielte in Winchester 73 (1950) den Indianer Young Bull.
Diese „Europäisierung“ findet man auch im Zusammenhang mit anderen ethnischen Gruppen in den USA, etwa bei Asiaten, siehe Peter Lorre als „Mr. Moto“, die vielen Darsteller der Figur des „Charlie Chan“, später satirisch überhöht von Darstellern wie Peter Sellers oder Peter Ustinov in dieser Rolle.
Erst später, seit der New Hollywood-Ära ab 1967, gibt es bekannte indianische Darsteller, die wiederum wegen ihrer Abstammung meist auf Indianer-Rollen festgelegt werden. Will Sampson oder Gary Farmer spielen selten Amerikaner, deren ethnischer Hintergrund für die jeweilige Geschichte vollkommen bedeutungslos ist.

Das gleiche Problem schildern immer wieder Schauspieler asiatischer oder afrikanischer Herkunft heute in Deutschland.

Kai Bagsik & Till Bender

Ist der Kino-Film ein gutes Medium für Propaganda?
Und wenn ja warum?

Kai Bagsik

Vielen Dank für die Frage! Möchtest du die kurze oder die lange Antwort?
Die kurze: Das hätten die Regisseure wohl gerne!
Na, dann doch wohl lieber die lange:

Teil1: Propaganda?

Natürlich gibt es eine ganze Reihe von nicht nur historischen Versuchen und Beispielen mit Hilfe des Kinofilms, einerlei, ob es sich dabei um Produktplacement („James Bond“), ein staatliches Politprogramm („Jud Süß“ / „Rambo III“) oder um Revolutionswerbung („Panzerkreuzer Potemkin“) handelt, unterschwellig oder ganz offen an jene Gefühle zu appellieren, die parteiliches Denken quasi zur zweiten Natur des Menschen machen sollen.
Was die moralische Einschwörung seines Volkes betrifft, da versteht der Staat, der faschistische ebenso wie der bürgerliche und auch der real-existierend sozialistische, überhaupt keinen Spaß. Gerade weil es immer um die Ausstattung des Privatinteresses mit Argumenten zur Ein- und Unterordnung geht, begleitet er die tagtäglich in Schule, Betrieb und Medien stattfindende Unterweisung seiner Staatsbürger mit einem Verdacht:
Allen Gründen – guten wie schlechten – haftet nämlich der ‚Mangel‘ an, dass sie als Begründung immer noch ernst genommen, geprüft und mit Überzeugung zu eigen gemacht sein wollen. Da nun aber jede argumentative Beschäftigung mit einer Sache – und sei sie in ihrer Schlussfolgerung auch noch so falsch – zugleich die theoretische Distanz zu ihr erfordert erscheint den Hitlers, den Stalins aber auch den Merkels, Obamas und den Putins dieser Welt, gerade in der begründeten Zustimmung zu ihrem politischen Wirken, immer auch der Keim zu ihrer Ablehnung zu stecken.

Nahrung liefert dem Verdacht der Umstand, dass die Kritik an ihren politischen Wohltaten einfach nicht auszurotten ist. Die manifestiert sich in der Regel als harmlose Lichterketten-Prozession „enttäuschter Wutbürger“, die ihrem Unmut höchstens mal als Protestwähler Luft verschaffen. Aber je nach Weltgegend und historischem Zeitfenster kommt es immer mal wieder zur Gründung gewalttätiger Oppositionsbewegungen, die dann als veritable Bürgerkriegspartei die staatliche Ordnung insgesamt auf die Probe stellen.

Beides kann einem herrschenden Gewaltmonopolisten nicht gefallen. Dass die dieselbe rationale Hirntätigkeit, die einerseits das staatsfromme und zugleich konstruktiv-selbstbewusste Begründen hervorbringt, andererseits so manch systemkritisches Urteil stiftet. Denn darin erblickt er durchaus eine Gefährdung für die polit-moralische Verfasstheit seiner Staatsbürger: Den Argumenten für ihn entnimmt er zwar die inhaltliche Zustimmung, den Einwänden gegen seine Werke dagegen entnimmt er eine Gefahr, die im Argumentieren selbst liegen soll. So mutmaßt er, dass die eigentlichen Anliegen der Nation „zerredet“ und durch den übermäßigen Gebrauch des Kopfes ungute Zweifel unters Volk gebracht werden könnten. Die Entwicklung aller parteilichen Gründe zu einem Standpunkt, der sich auch durch schlechte Erfahrungen sowie den Nachweis der Unwahrheit der dargebotenen Begründungen nicht erschüttern lassen darf, soll durch die Ausbildung eines positiven Gefühls zur guten Sache erst so richtig narrensicher werden. Und genau darauf zielt Propaganda[1]

Das lässt sich der Staat einiges kosten. So spendiert er seinen Untertanen ab und zu ein sportliches Großereignis und unterstützt darüber hinaus ‚seine‘ Nationalmannschaften auch bei auswärtigen Gastspielen, solange sie im Medaillenspiegel Ehre für die Nation einlegen, damit auch beim daheimgebliebenen Fernsehzuschauer das richtige „Wir-Gefühl“ aufkommt. Neben dem Sport dient zur Pflege des (nationalen) Gemüts auch die Welt der Kunst und Kultur. Häufig auf staatliche Subventionierung oder andere Fördereinrichtungen angewiesen erlauben sowohl Gedichte, als auch die „große Literatur“ und die „Kleinkunst“ genauso wie das Theater und eben der Film die Aneignung der in künstlerischer Form vorgelegten Botschaften gleich und unmittelbar als mehr oder weniger sinnlichen Genuss.

Gegen manche dieser Geschmacksverirrungen ließe sich sicher schon vorab so einiges einwenden. Erst recht aber, wenn sich das „künstlerische Erlebnis“ die Gleichgültigkeit gegenüber den theoretischen Urteilen leistet, die da in gereimter, gesungener, dramatisierter oder filmisch-inszenierter Form vermittelt werden. Doch damit hat der ‚wahre Genießer‘ und ‚echte Kunstkenner‘ sowieso kein Problem, kann sich sein Kunstgenuss von der Beurteilung des Inhalts doch allein schon deshalb freimachen, weil der längst akzeptiert ist.
Insofern erscheint die Antwort auf die Eingangsfrage eindeutig. Natürlich ist der Kino-Film von der kitschigen Liebesschmonzette bis hin zum preisgekrönten Anti-Kriegsdrama in dem Sinne ein gutes Medium der Propaganda, dass er die politischen und künstlerischen Überzeugungen bzw. die Gefühlswelten seiner möglichst zahlreichen Betrachter zu beeinflussen sucht. So simpel und so harmlos ist das.

Unwohl wird den meisten Menschen bei diesem Gedanken nur deshalb, weil in ihrer Vorstellung ‚brauner‘, ‚roter‘ oder ganz allgemein ‚staatlicher Terror ‘ und ‚Propaganda‘ eng zusammengehören. Das spricht zwar überhaupt nicht für seine Stimmigkeit, hält sich aber dennoch hartnäckig in den Köpfen vieler „kritisch-engagierter“ Gesellschaftsmitglieder. Sachlich betrachtet, handelt es sich dabei aber um zwei unterschiedliche und logisch unterscheidbare Methoden, auf den Willen des Volkes einzuwirken:
Terror will den politischen Willen brechen; Propaganda dagegen setzt darauf jemanden für seine Anliegen einzunehmen, sein Herz und seinen Verstand für sich zu gewinnen. Politische Propaganda ist deshalb auch in der Demokratie ein angesagtes Mittel, die eigenen Qualifikationen zur Führung eines Landes, einer Partei usw. herauszustellen. Diese bekannte Tatsache, für die der tägliche Parteienstreit und die turnusmäßig stattfindenden Materialschlachten vor Wahlkämpfen Zeugnis ablegen, erfährt hinsichtlich Göbbelscher Parteitagsreden, „stalinistischer Betonköpfe“ und iranischer Regierungspolitik eine ganz andere Beurteilung.

Demnach war und ist ‚Propaganda‘ je nach politischer Großwetterlage und Weltgegend nicht einfach ‚nur‘ politische Überzeugungsarbeit wie in ‚unseren‘ demokratischen Breiten, sondern gemeiner Psychoterror und hinterlistige Manipulation der Massen.

Und davor muss man doch schließlich Angst bekommen. Wieso eigentlich?
Denn … – und dies ist eine Ansage an alle tatsächlichen und Möchtegern-Diktatoren genauso wie an die große Schar der unglaublich kritischen und zur Vorsicht mahnenden, studierten und unstudierten Totalitarismus- und Dogmatismus-Experten – … gelingen tut sie nicht, die Manipulation, weder durch Dauerbeschallung, noch durch Presseerzeugnisse und schon gar nicht durch mehr oder weniger suggestive Filmszenen.

Vielleicht verlangt das noch eine Erklärung!

anonymus

[1] „Propaganda, die; (lat.) 1.systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel das allgemeine Bewusstsein in bestimmter (!) [Anm. d.Verf.] Weise zu beeinflussen“ Duden Nr.5 Das Fremdwörterbuch

Warum schreibt Kurt Tucholsky „Es wird nach einem Happy End im Film jewöhnlich abjeblendt.“…?

Kai Bagsik

Der Begriff Happy End kommt aus dem Englischen happy ending und bezeichnet für den Bezeichnenden „das glückliche Ende der Geschichte“, meist des Protagonisten.
Tucholsky meint in seinem Gedicht, dass nach dem Happy End die Ernüchterung kommt und es sich nicht lohnt, das Geschehen weiter zu verfolgen.

Die Ehe war zum größten Teile vabrühte Milch und Langeweile. Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.

Kurt Tucholsky

Zu Bedenken ist, was dem Einen sein Happy End, das ist dem Andern ein großer Graus.
Und es gilt nicht nur für Zyniker, wenn sich der Eine oder Andere den Tod des Protagonisten oder mindestens seinen unrühmlichen Abgang wünscht.
Dass Tucholsky hier berlinert, liegt an seinem Geburtsort Berlin-Moabit.

Kai Bagsik