Interview mit Kai Peter-René Bagsik
zu der Dokumentation von Michael Ferwagner von 2013

Warum malst Du?

Zwei Dinge geben mir den Antrieb zum Malen; auf der einen Seite interessiert mich der Entstehungsprozess, ich bin selbst immer voller Neugierde, was auf dem Papier passiert, da ich ja nicht konzeptionell arbeite. Ähnlich wie der spanische Romanautor Javier Marias sagte, dass er auch ganz neugierig ist, was mit seinem Romanfiguren passiert, was Sie als nächstes erleben… so empfinde ich es auch bei der Malerei. Und auf der anderen Seite treibt mich an, ein fertiges Bild zu erstellen. Ich kenne nicht die Angst vor dem weißen Papier.

Was meinst Du mit Angst vor dem weißen Papier?

Es gibt Künstler, die Angst haben den ersten Strich zu tun, bei mir ist es völlig anders, ich möchte möglichst alle Flächen mit Inhalt, Farben, Figuren…füllen.

Wie lange malst Du schon?

Soweit ich zurück denken kann, male und zeichne ich.  Dabei versuche ich eine Regelmäßigkeit beizubehalten, denn nur so können in der Arbeit Automatismen entstehen, die für den Entstehungsprozess notwendig sind.

Mit welchen Materialien malst Du?

Ich arbeite mit Mischtechniken, dabei nutze ich alle mir zur Verfügung stehenden Materialien, die da wären, Bleistifte,  Fine Liner, Kugelschreiber, Aquarellfarbe, Acrylfarbe, Federzeichnung, Tusche, Sprühfarbe oder auch Kaffeeessenz.

Und welche Untergründe nutzt Du?

Ich habe schon auf den unterschiedlichsten Untergründen gearbeitet, auf Leinwand, auf Holz, auf Pappe, dabei stellte sich für mich heraus, dass Papier für mich das Material mit den meisten Möglichkeiten ist. Kein anderes Material nimmt so viele unterschiedliche Materialien auf.

Warum arbeitest Du mit kleinen Formaten?

Die Konzentration auf eine kleine Fläche ist für mich spannender als großflächige Gesten. Das kleine Format fordert das genaue und präzise Arbeiten von meiner Seite und später auch das des Betrachters. Es geht mir nicht um einen großen lauten Effekt.

Welche Themen/Inhalte beschäftigen Dich beim Malen?

Da ich nicht konzeptionell arbeite, interessiert mich nur der Inhalt des jeweiligen Bildes, das heißt, mich interessiert der Moment des entstehendes Bildes, meine Gefühle und Empfindungen fließen in den Entstehungsprozess ein und ich weiß vorher nicht in welche Richtung sich ein Bild entwickelt.

Wie kommst Du auf die Titel des Bildes?

Die Titel entstehen parallel zur Entstehung des Bildes, auch hierbei ist mir der surreale Gedanke wichtig, ein Titel der dem Bild zukommt zu zulassen.

Wie arbeitest Du Texte und Zeichen ein?

Mit Texten, Zahlen und symbiotischen Elementen verhält es sich konsequenter Weise so, wie mit malerischen und zeichnerischen Gesten. Auch hier ist es mir wichtig das zu zulassen was entsteht sowie sensibel, vorsichtig und präzise zu beobachten und auf das, was auf dem Papier passiert, zu reagieren.

Wie lange arbeitest Du an einem Bild und wann weißt Du wann das Bild fertig gestellt ist?

Ich male parallel an mehreren Bildern, es kann sein, dass ein Bild mehrerer Monate oder auch Jahre braucht bis es fertig ist. Es soll Zeit haben zu wachsen und reifen. Das Bild ist dann fertig, wenn es nach nichts mehr verlangt. Der kreative Prozess wird am Schluss immer feiner und genauer, die Gesten werden immer kleiner, bis es keine Gesten mehr gibt, dann ist das Bild fertig gestellt.

Welche Künstler haben Dich und Deine Malerei beeinflusst?

In meiner Malerei direkt haben mich keine Künstler beeinflusst, jedoch hat mich die Haltung mehrerer Künstler in meinem Schaffen beeinflusst, z.B. Kurt Schwitters, insbesondere die Dichtung und Architektur Kurt Schwitters, des weiteren Surrealisten, wie z.B. Luis Buñuel beim Film oder Joan Miró als Maler und Alexander Calder als Plastiker. Inspiriert hat mich Ihre künstlerische Haltung, Sie haben es zugelassen intuitiv zu Arbeiten und dabei den Intellekt nicht in den Fokus zu stellen und man spürt in Ihrer Kunst, dass Sie und Ihre Arbeiten nicht so ernst genommen haben,  Sie haben Humor in Ihren Werken zugelassen.

Arbeitest Du rein intuitiv?

Nein, ich arbeite nicht ausschließlich intuitiv, sondern nutze mein Wissen, wie z.B. zur Farbenlehre, zur Komposition, zur Dramaturgie…  Daher kann man mich im engeren Sinn, nicht als Surrealist oder Maler der lyrischen Abstraktion einordnen. Ich arbeite nicht dogmatisch, sondern bin offen für andere Positionen.

Was ist Deine künstlerische Haltung?

Die Elemente in meinen Bildern stehen im Dialog miteinander.

  • Ähnlich wie in einem intensiven Gespräch zwischen zwei Menschen, reagiert der eine auf den anderen ohne vorgefertigte Sätze zu präsentieren.
  • Ähnlich wie ein Flaneur, der nicht nach einem Plan geht, sondern auf die Dinge auf dem Weg reagiert und vorher nicht weiß, wie der Weg verläuft.
  • Ähnlich auch wie bei einer Jam Session, wo nicht jeder Musiker einer vorgefertigten Komposition folgt, sondern auf seinem mitspielenden Musiker reagiert.

Dieser Dialog soll in meinen Bildern und zwischen meinen Bildern und dem Betrachter entstehen. Ziel ist die Vermeidung eines Monologes.

In welche Kunst kann man Deine Malerei einordnen?

Meine Malerei steht im weiteren Sinn in der Tradition des Surrealismus und des sich daraus entwickelnden Automatismus in der Malerei, wie man sie später in der lyrischen Abstraktion fand. Das heißt, Dinge werden an die Oberfläche gebracht, die sich in den Unterbewusstsein, wie z.B. in der Traumwelt befinden und  diese Bilderwelten für den Betrachter zugänglich zu machen. Das große Ziel ist es, dass der Betrachter durch die Bilder wiederrum Zugang zu seinem Unterbewusstsein erlangt. Anderseits gibt es ein Prozess des genauen beobachten und daraus resultierenden Handels, also ein bewusstes Reflektieren und Denken.

Gibt es unterschiedliche Schaffensphasen?

Nein, es gibt keine Phasen, bei mir ist es eine Entwicklung, der Stil ändert sich nur langsam im Laufe der Jahre. Was die kurzfristige Motivation für die Herstellung eines Bildes ist, ist ebenfalls die Fragestellung bei der zukünftigen Malerei. Ich bin jetzt schon gespannt, welche Bilder mich im kommenden Jahr beschäftigen werden.

Und warum hast Du Deine Bilder erst relativ spät einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht?

Dadurch, dass es sich bei einem Bild um einen sehr persönlichen und intimen Prozess handelt, hat es auch Zeit gebraucht, sich von meinen Bildern zu trennen. Dies ist erst in den letzten Jahren möglich, da inzwischen hunderte von Bildern existieren und es mir jetzt leichter fällt sie abzugeben.

Was wünscht Du Dir für den Betrachter Deiner Bilder?

Die Bilder sollen eine Vorlage sein für Assoziationen, Geschichten und Gefühle, die beim Betrachter selber entstehen, sofern er bereit ist, sich auf die Bilder einzulassen. Daher ist es mir wichtig, nicht eine vorgefertigte Sinnhaftigkeit vorzugeben, sondern die Offenheit durch das unbewusst Entstandene zuzulassen.